Maßschuh und Konfektionsschuh – der Unterschied

Immer wieder werde ich gefragt, was der Unterschied zwischen einem Maßschuh und einem Konfektionsschuh ist. Ganz kurz zusammengefasst: Der Konfektionsschuh ist ein Serienprodukt, das in standardisierten Größen für den Endkunden (oftmals industriell in Massenfertigung) hergestellt wird. Im gehobenen Segment wird diese Form der Mode auch oft als Prêt-à-porter-Kollektion (übersetzt „bereit zum Tragen“) bezeichnet. Der Maßschuh hingegen wird von Anfang an komplett individuell auf den zukünftigen Träger zugeschnitten und in absoluter Handarbeit als Unikat angefertigt.

Doch gehen wir einmal ins Detail. In meinem Vergleich gehen wir von einem klassischen, rahmengenähten Herrenschuh mit Ledersohle und Lederabsatz aus.

Der hochwertige Konfektionsschuh liegt preislich zwischen 600 bis 1.600 Euro und wird wie bereits erwähnt, meist in industrieller Art und Weise produziert. Das bedeutet, dass hier verstärkt Maschinen wie beispielsweise Zwickmaschinen, Kappen-Vorformmaschinen und viele weitere zum Einsatz kommen. Diese Maschinen müssen alle auf entsprechende Leistenformen eingestellt werden, damit sie präzise arbeiten können. Das Obermaterial des Schuhs (es nennt sich Schaft) wird mit speziellen Metall-Schablonen auf Hydraulikstanzen zugeschnitten und nicht mit einem Messer von Hand, was natürlich vor allem Zeit spart. Auch die Nähmaschinen, mit denen anschließend der Schaft zusammengenäht wird, sind auf eine gewisse Garnstärke eingestellt. Um das an dieser Stelle besser zu veranschaulichen, möchte ich ein Beispiel anbringen. Will man bspw. eine Naht prominenter und somit auffälliger am Schuh gestalten, dann braucht man für diesen Arbeitsschritt eine dickere Garnstärke. Das wiederum führt zu deutlichem Mehraufwand durch das erneute Einstellen der Maschinen auf diese Garnstärke.  Gleiches gilt grundsätzlich für die eingesetzten Materialien. In einer Serie werden Materialien mit möglichst gleichen Eigenschaften eingesetzt. Konkret bedeutet das, dass die Lederstärke und Dehnfähigkeit möglichst identisch sein sollen, damit die Zwickmaschine richtig arbeiten kann. So wird es sehr schwer innerhalb der gleichen Serie beispielsweise einen Schaft aus einem sehr weichen, dünnen Hirschleder in der gleichen Qualität zu zwicken wie einen Schaft aus einem eher steifen Rindboxleder. Dieser Aspekt wird noch weiter verstärkt, da in der Serienfertigung oftmals zugelieferte und fertige Komponenten verbaut werden, um weitere Kosten so gering wie möglich zu halten. Eine solche Komponente ist zum Beispiel die Laufsohle. Diese wird von einem externen Sohlenbauer vorgefertigt, man spricht in diesem Kontext von konfektioniert, und dem Schuhhersteller zugeliefert.

Damit so eine konfektionierte Laufsohle nun auf den Schuh passt, darf dieser von seiner Standardform nicht abweichen. Darum gibt es also beim Konfektionsschuh hinsichtlich der Leistenform nur eine begrenzte Anzahl an Längen und Weitenoptionen, damit eine maschinelle Produktion weiter möglich ist und die Kosten im Rahmen bleiben. In der maschinellen Schuhfertigung gibt es verschiedene Parameter, die sobald sie verändert werden, einen hohen Mehraufwand bei der Fertigung bedeuten. Das heißt, es müssen Maschinen ganz neu eingerichtet und nicht selten einzelne Arbeitsschritte in manueller Arbeit weiter verrichtet werden – die Kostenersparnis der Serie ist somit hinfällig. All diese Beispiele stehen exemplarisch dafür, dass bei der Konfektion nur ein sehr kleiner Spielraum an individuellen Arbeitsschritten möglich ist. Alles, was darüber hinaus geht, ist in der Maßschuhliga angesiedelt – eine absolute Einzelanfertigung, ein Unikat, einzigartig und somit auch preislich natürlich deutlich höher.

Der Maßschuh ist also im Schuhbereich das „Maß der Dinge“, was sich letztlich auch im Preis widerspiegelt – dieser beginnt ab 2.500 €. Hier beginnt man buchstäblich mit einem weißen Blatt Papier – es ist so gut wie alles möglich! Als Basis dienen beim Maßschuh individuell auf den Träger zugeschnittene Leisten. Diese werden direkt an den Fuß des künftigen Besitzers angepasst. Da kein Fuß dem anderen gleicht, können hier nun auch größere Abweichungen von beiden Füßen berücksichtigt werden.

Nach der Modellbesprechung wird auf Basis dieser Maße ein Schablonensatz für die einzelnen Schaftteile erstellt. Die Schaftteile werden im Anschluss von Hand aus der ausgewählten Lederhaut zugeschnitten. Bei diesem Arbeitsschritt hat man direkt Einfluss auf die gesamte Bandbreite des eingesetzten Materials. .Je nach Schuhtyp und Einsatzzweck kann hier die optimale Material- und Farbauswahl getroffen werden. Vom Galanterieschuh aus feinstem Chevreau (Ziegenleder) bis zum wetterfesten Boot aus Waterproof-Leder (robustes, stark wasserabweisendes Rindleder) ist alles drin. Das ist ja auch gerade das Schöne bei der Herstellung von Maßschuhen – Individualisierungen und einzigartige Möglichkeiten gibt es hier en masse. Hier existiert kein Rahmen innerhalb dessen sich der Schuhmacher bewegen muss, da alles nach Maß und individuell nach Kundenwunsch angefertigt wird. Der Schaft wird von Hand über den Leisten geformt / gezwickt, so kann der erfahrene Schuhmacher auf die Anforderungen des Obermaterials bei der Verarbeitung ganz individuell eingehen. Beim Maßschuh werden Sie auch keine konfektionierten Sohlen finden. Die Laufsohlen, beispielsweise aus Leder, richten sich nach der spezifischen Brandsohlenform (Form der Leistenunterseite). Der Absatz wird dabei schichtweise von Hand aufgebaut und individuell auf die vom Kunden gewünschte Höhe abgestimmt, holzgenagelt und verpinnt. Der Schuh wird natürlich von Hand eingestochen. Je nach Machart bedeutet das, dass Brandsohle, Schaft, Zwischensohle und Laufsohle mit mehreren von Hand eingestochenen Nähten miteinander verbunden werden. Dies wird leider oftmals gleichgesetzt mit der sogenannten Goodyear-Machart (maschinelles Vernähen), die bei so gut wie allen klassischen, rahmengenähten Herrenschuhen im Prêt-à-porter-Segment zu finden ist.

Die Handnaht mit den Goodyear-Verfahren gleichzusetzten ist aber schlichtweg falsch, denn es handelt sich dabei um eine Maschinennaht. Die handwerkliche und traditionelle Handnaht (bei einem handeingestochenen Schuh) dagegen ist extrem aufwändig, kräftezehrend und nach wie vor eine Klasse für Sich – sowohl im Hinblick auf technische Raffinessen als auch in puncto Langlebigkeit. Hier bekommen die Begriffe „handmade“ und „Manufaktur“ genau die richtige Intention. Beim echten Maßschuh wird darüber hinaus bei der kosmetischen Perfektion der Verarbeitung deutlich mehr Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet, was die Einzigartigkeit des Maßschuhs unterstreicht. So wird die Sohle unter anderem von Hand geglast. Dieser Arbeitsschritt wird mit einem Stück gebrochenem Glas vollzogen. Damit wird die Sohle so lange bearbeitet, bis eine spiegelglatte Sohlenkante zum Vorschein kommt. Mittels spezieller, traditioneller Techniken wie der Wasserpolitur wird dann die charakteristische Lederfarbe hervorgearbeitet und der Schuh auf Hochglanz poliert. Hier hat jede Manufaktur / jeder Schuhmacher sein eigenes Geheimnis, um dem Schuh die eigene Handschrift, die Philosophie des Hauses einzuhauchen. Beim Konfektionsschuh dagegen sind die Finish-Prozesse auf die standardisierten Materialien optimiert und erfolgen oftmals mit maschineller Unterstützung in einer viel kürzeren Zeit.

Sie merken schon, beim Maßschuh geht es eigentlich um viel mehr als nur einen Schuh, denn hier werden echte Kunstwerke erschaffen. Aber dazu noch mehr in unserem Blogbeitrag „Warum eigentlich Maßschuhe“ bitte hier klicken.

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